Nachruf Dr. Leo Remmel von Dr. Rainer Walther

Meine erste Begegnung mit Leo war 1983, und dass daraus eine langjährige Freundschaft und Partnerschaft werden würde, habe ich damals nicht voraussehen können. Ich war in der Sektion Bridge des Sportclub Austrian Airlines in einem Kurs, den Wolfgang Meinl hielt. Und dieser erkannte mein Nichttalent für diesen Sport und empfahl mir, einmal in einem richtigen ÖBV-Club ein Hausturnier zu spielen. Seine Empfehlung war der Bridgeclub ABC im Café Rathaus. Ich pilgerte also an einem Mittwoch – ohne Partner – in das Café Rathaus und wurde sogleich von Leo in Empfang genommen, der mir den Club vorstellte und schmackhaft zu machen versuchte. Wie ich später bemerkte, tat er das mit Verve und Wissen mit jedem Neuling, der zu einem der Hausturniere kam. Gleich an meinem ersten Abend hatte ich dann die Ehre mit Leo zu spielen, und kurz darauf war ich stolzes Mitglied im ABC, dem ich auch heute noch aktiv angehöre.
In der Zwischenzeit sind viele Jahre vergangen, und Leo war immer einer meiner Hauptpartner. Bald lud er mich auch ein, doch in einem seiner zahlreichen Teams mitzuspielen, sei es in der Wiener Meisterschaft, in der Niederösterreichischen Meisterschaft (dafür wurde ich auch noch Mitglied im KBC) oder in der Ostliga. Unermüdlich feilte er an unserem System, das wir spielten, kein Jahr verging, ohne dass wir wieder neue Feinheiten lernten. Für alles verfasste er umfangreiche Unterlagen, die ich, wenn ich wieder einmal länger nicht mit ihm gespielt hatte, wie ein Student vor einer Prüfung studieren und lernen mußte. So kämpften wir uns mit wechselseitigem Erfolg durch die verschiedensten Bewerbe, es war ein stetes Auf- und Ab. Um Details musste ich mich aber überhaupt nicht kümmern – Leo hatte uns Teammitglieder alle organisatorisch und planungstechnisch fest im Griff.
Ein Fixpunkt in unserer jährlichen Planung war das große Turnier in Loiben und später Mautern, wo wir sowohl im Team als auch im Hauptpaarbewerb Jahr für Jahr antraten. Bewundernswert war bis ins hohe Alter seine Kondition: Jahrelang reiste er mit dem Fahrrad aus Wien an, wo er dann im Landhaus Bacher abstieg, und jeden Vormittag entweder länger spazierenging oder auch mit dem Fahrrad unterwegs war. Und Jahr für Jahr hatten wir einen festen Vorsatz, der sich nun leider nicht mehr erfolgreich umsetzen lässt: Wir wollten im Hauptpaarbewerb endlich einmal alle Durchgänge mit über 50% abschließen. Leider verpatzten wir jedes Jahr einen Durchgang… Mit Leos höherem Alter wurde ich dann auch zu einer Art Leibchauffeur für ihn. Ich nahm ihn jedesmal nach einem Turnierabend im Auto mit und brachte ihn nachhause. Auf dem Weg sprachen wir dann nicht über Bridge, sondern über Musik, Dichtung und Kulturelles. Leo war ein überaus gebildeter, sozial engagierter Mann, der sich auch aus politischen Gründen verfolgten Menschen oder sonst Bedürftiger im Ausland wie im Inland annahm. Seine große Leidenschaft galt aber der Musik – kaum drehten wir das Radio im Auto auf, erkannte er meist schon Komponist und Stück, das gerade gebracht wurde. Öfters traf ich ihn auch im Konzerthaus, wo er die Partituren der Kompositionen, die gespielt wurden, aufmerksam mitverfolgte. Und wenn er nach dem Bridgeabend nachhause kam, hörte er sich vor dem Schlafengehen meist noch eine CD an!
Auch sein Gedächtnis war bis ins hohe Alter hervorragend. Er konnte noch immer ganze Stellen aus Literatur und Dichtung auswendig rezitieren, eine Fähigkeit, die leider bei vielen Menschen immer mehr verlorengeht.
Ich habe schon erwähnt, dass wir uns als Mitglieder eines Teams von Leo wirklich um nichts kümmern mußten. Und so war es auch noch kurz vor seinem Ableben. Er rief mich aus dem Spital an, um mich über seine Lungenentzündung zu informieren, und ersuchte mich entsprechend alle übrigen Teammitglieder zu informieren. Leider war das damals mein letztes Gespräch mit dem mir unvergesslichen Freund und Partner Leo!


Sollten Sie auch einen Nachruf veröffentlichen wollen, bitte eine email an ulli@abc-bridge.at

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Ing. Ulrike Simkovics